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Ein weiter Handlungsspielraum

Malerei ohne die bindende Enge einer ihr vorausgehenden Konzeption – freies Handeln – ist wohl die Headline die ich meiner Kunst vorausschicke. Keinem der so gerne polarisierenden medialen Chöre unserer Gesellschaft die Stimme leihen, sondern der eigenen inneren Notwendigkeit, der Intuition folgen. Ein Spaziergang durch Ismen ohne deren Gefolgsmann zu sein, bedacht auf einen weiten Handlungsspielraum, ein Weg der nicht erschöpft.
Das Reisen und der stetige Wechsel der Atelierräume alle drei bis sechs Monate quer durch Europa und über Kontinente hinweg, ein Lebensabschnitt dem ich seit 2012 nachgehe, hat im gewissen Sinne die selbstgewählte Strukturierung der Arbeit ersetzt. Die verschiedenen Einflüsse, vor allem aber das unterschiedliche Denken zwischen Metropole und Provinz über Sprachen und Kulturkreise hinaus, lassen mir meine eigene Arbeit stets im neuen Licht erscheinen. Es stellen sich nahezu zwingend neue Aufgaben, deren Inhalte jedoch durch die Ortswechsel wieder verblassen. Getragen durch Selbstreferenz und wiederkehrende Formen, reicht meine Arbeit in der formalen Auseinandersetzung über das Sujet hinaus, in der Lust zu experimentieren und über Grenzen hinweg zu denken. Der eigenen Handschrift, indifferent zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, zu folgen und Felder zu eröffnen, welche sich nicht auf ein Medium beschränken lassen.
Es geht mir also um die abstrakte Form; Zeichen und erzählerische Präsenz – Zutaten, die ganz im Sinne eine Natursteinmauer aus dem eben verfügbaren Material entsteht und ihre Festigkeit aus der Komposition und dem kreativen Einsatz von großen und kleinen Steinen erhält. Es Verschmilzt die Verbindung von dem was wir Wissen, mit dem was wir unterbewusst Fühlen, so verbinden sich Fragmente von rationalen Erinnerungen mit Visionen und Metaphorik.
Die Malerei folgt analog dem organisierten Zufall Form und Farbe. Es geht mir darum, die Kraft der Imagination unmittelbar in die Materialität des Bildes zu legen und den Betrachter direkt anzusprechen auf sein Gefühl zielend, ohne dass dieser den Umweg über seinen Verstand und sein Wissen nehmen muss.
Malerei lässt sich für mich nicht auf ein einzelnes Projekt reduzieren, sondern ist immer aufgehoben in einem übergeordneten Ganzen, dem man sich jeden Tag aufs Neue stellt.

Eckehard Fuchs 2016



Verlust von Gewissheit und Unsicherheit des Gefühls

Die Kunst von Eckehard Fuchs scheint nicht in gängige Kategorien zu passen und neben aktuellen Trends in der Malerei zu stehen. Auf der Grundlage gegenständlicher Darstellung erschafft er einen mit suggestiven Gesten und komplexen Symbolen gesättigten visuellen Kosmos.

Wesentliche Elemente seiner künstlerischen Haltung sowie die Grundlage seiner Themen und Bildwelten lassen sich bis in die Zeit seines Meisterschülerstudiums zurückverfolgen. Im Zentrum des Interesses von Eckehard Fuchs stand seitdem die Suche nach Darstellungen für gestörte Kommunikation und verzerrte menschliche Verhaltensweisen, zunächst als eine Form künstlerischer Verarbeitung von eigener Wahrnehmung der Wirklichkeit. Arbeiten aus dieser Zeit zeigen eine über die Darstellung von Figuren vermittelte Bilderzählung, deren Raumkonstruktionen und muntere Farbigkeit in den Anfängen comic-hafte Züge trugen.

Noch vor wenigen Jahren wurden Eckehard Fuchs` Bilder vor allem als Auseinandersetzungen mit der menschlichen Unfähigkeit zur Kommunikation beschrieben, ohne dass die Beschreibbarkeit des Dargestellten grundsätzlich in Zweifel gezogen wurde. Durch immer komplexer verschlüsselte Inhalte hat der Künstler seine Motive in der Zwischenzeit mehr und mehr in die Richtung allgemeiner Metaphern für die Unfassbarkeit der Welt als Gesamtheit, für den Zerfall von Weltbildern in prismenartige, kaleidoskopische Bündel einander unverwandter Blickwinkel und Sichtweisen entwickelt. Andeutungen treten an die Stelle von Behauptungen und Schilderungen.

Tendenziell führte Eckehard Fuchs` Entwicklung weg vom Bildaufbau über eine erzählerische Situation, hin zur stärkeren Betonung des Malerischen, ohne dass die Darstellungen dabei ihre mitunter träumerische Stimmung verloren haben. Die verbliebenen Andeutungen von Erzählung liegen im Eindruck aufgehobener Zeit und eingefrorener Dynamik, im Blick des Malers, der im Bild einen Moment eines Geschehens stillstehen lässt.

Formale Veränderungen unterstreichen das inhaltlich nun eher Offene und Andeutungshafte: Eine expressivere Bildsprache zeigt Tendenzen zur Auflösung fest gefügter Formen in lockere Flächensysteme. Malerisch stehen feste, alla prima gesetzte, neben lasierten Partien und harten, direkt der Zeichnung entlehnten Formen mit betontem Konturstrich. Die Figuren agieren nicht mehr wie auf einer Bühne vor kaum definierten Hintergründen. Sie treten im Raumgefüge zurück, schweben oder bewegen sich in nicht kohärenten Bildräumen, gehen ineinander oder in Farben und Formen ihrer Umgebung über, verschmelzen mit dem Raum bzw. erscheinen fragmentiert durch Unschärfen der malerischen Beschreibung.

Der Raum erhält eine größere Bedeutung, Figuren agieren als Teile eines Kontinuums. Mit der Öffnung des Bildraumes in Systeme von Flächen und räumlichen Situationen geht die Charakterisierung der Figuren zum Teil auf Elemente ihrer Umgebung über.

Zum Verständnis dieser Verschiebung lohnt ein Blick auf die Vorgehensweise des Künstlers. Er bedient sich des klassischen Weges der Genese von Malerei. Am Anfang steht die Bleistiftzeichnung, in der Ideen festgehalten und ausprobiert werden. Diese ist enorm wichtig, finden doch in den gezeichneten Einzelszenen die eigentlichen Bilderfindungen statt. Früher schloss sich daran mitunter die Arbeit mit Pastell und Collagen aus farbigen Papierstreifen an, in denen Eckehard Fuchs Farbwirkungen seiner Bildmotive experimentell ermittelte. Seit einigen Jahren bedient er sich stattdessen der Aquarellmalerei zur malerischen Erprobung der gezeichneten Kompositionen. Das Medium Aquarell mit seiner der Zeichnung entgegengesetzten potentiellen Konturlosigkeit ist sicher mitverantwortlich für die Lockerung der Formen in Eckehard Fuchs` Leinwandgemälden.

Auch in dieser freieren Malweise ergründet Eckehard Fuchs unverändert Facetten zwischenmenschlicher Interaktionsmuster. Symbolhaft verschlüsselt erscheinen seine Akteure noch immer als „Platzhalter“ für menschliche Handlungsmuster und geistige Haltungen.

Das generell Mehrdeutige der Bildkompositionen legt nahe, dass Fragen nach der Vollständigkeit oder nach der Zuordnung von Gliedmaßen von im Bild wie zerfliegenden Figuren so wenig Chancen auf eine finale Antwort haben wie jene nach der linearen Auflösung für die kryptisch angelegten Handlungen der Filme von David Lynch. Nicht die Inhalte geben sich postmodern abgeklärt gegenüber „Brüchen“ und Zitatschichten, postmodern ist vielmehr das Zusammenspiel von Formzitat und Ausdrucksvariation.

Nahezu jede Form in seinen Bildern geht auf eigene Invention zurück, selbst Physiognomien sind in der Regel ohne Arbeit vor einem Modell mit dem Gedächtnis gesehen bzw. erfunden und konstruiert. Eckehard Fuchs` ausgeprägte Imagination und Erfindungskraft widerlegt so die Vorstellung, dass Gegenständlichkeit so eintönig wie die Wirklichkeit sein muss.

Formal geschult an visuellen Codierungen quer durch die Geschichte der Kunst, bedient er sich verschiedener Wege für seine Bildfindungen. Anhaltspunkte für Bildstimmungen und Einzelformen können ebenso in der karikierenden Überspitzung von William Hogarths Grafik und der malerischen Gesellschaftsanalyse von Pietro Longhi liegen wie in der ambivalenten Atmosphäre der Bilder von Balthus und der Symbolwelt von Max Beckmann. Vor allem aber nimmt er in seiner Malerei Aspekte des expressiv Übersteigerten von romanisch-frühgotischen Bildwerken auf.

Derartige Darstellungen „liest“ Eckehard Fuchs vorzugsweise in Norditalien, wo man an vielen Orten die Werke exzellenter mittelalterlicher Bildhauer wie Benedetto Antelami oder Wiligelmus bewundern kann. Diesen nähert er sich mit rein formalem Interesse und füllt den im Detail oft verlorenen Sinn ihrer ausdrucksstarken Gestik mit ihm nahen, alltäglichen, modernen und zeitgeistigen Inhalten.

Wichtig für ihn ist das vermeintlich Geheimnisvolle und gleichzeitig Einfache und Primitive der Formensprache solcher Ausgangswerke. Sie geben ihm Anhaltspunkte für die Entwicklung seines häufig von Leiden und Schmerz bestimmten Körperbildes. Derlei kompilierte Anspielungen an Themen der Kunstgeschichte mischt Eckehard Fuchs mit visuellen Analysen typischer, allgemeinmenschlicher Verhaltensmuster. Ebenso können gelegentlich Beobachtungen gesellschaftlicher Konstellationen und Ereignisse auftauchen, wie die assoziative Beifügung von zwei Medienfotos zu seinem Gemälde „Ohnmacht“ verdeutlicht.

Ähnlich wie durch Verwitterungen ihrer Details beraubte und deformierte Skulpturen bieten sich Eckehard Fuchs` Figuren dar, mit maskenhafter Mimik und sprechenden Gesten interagierend. Wichtiger Teil des Ausdrucks ist die Erweiterung von Gestik mittels Körperextensionen wie Netzen, Binden oder Blattwerk. Dies erinnert an die Funktion der Attribute in der Darstellung von Heiligen in der christlichen Kunstgeschichte, jedoch in einer vom Künstler selbst bestimmten Codierung. Durch die Mehrdeutigkeit und Offenheit der Darstellungen wird das Narrative im Bild verunklärt, das Symbolhafte der Gestik aber betont und übersteigert.

In einigen seiner aktuellsten Werke sind Handlungsorte wie eine altertümliche Töpferwerkstatt, das Getriebe einer mechanischen Getreidemühle oder ein Labyrinth, sowie die Kleidung von Figuren als historische Zitate erkennbar. Damit verlagert Eckehard Fuchs den Verweis auf seine Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte aus dem Formalen von Körperhaltungen und Gestik in das Inhaltliche. Anregung dafür bietet ihm die Emblematik der Renaissance- und Barockzeit. Ohne Kenntnis der Figuration und ohne dass Texte die Darstellungen ergänzen oder auflösen, erscheint deren hieroglyphenhafte Verschlüsselung von Aussagen in Personifikationen, Attributen und Darstellungen symbolischer Handlungen als Korpus, der zwangsläufig Sinn und Inhalt enthält, ohne ihn jedoch zugänglich zu machen.

Diese Verarbeitung historischer Intellektübungen ist nicht als nostalgischer Exotismus zu verstehen, sondern eher als Versuch, sich einer nicht mehr verständlichen Sprache anzunähern und dabei deren Unverständlichkeit zum Thema zu machen. Auch wird so die Überzeitlichkeit des Dargestellten deutlich: Es spielt keine Rolle, welcher Zeit wir das Gezeigte zuordnen, die Bezüge sind in unserem Empfinden zu suchen und somit nicht an konkrete Ereignisse gebunden. Das uns umgebende babylonische Kauderwelsch des eigenen Wollens in Verbindung mit dem unserer Mitmenschen deutet sich an – nicht von ungefähr taucht neben dem Labyrinth auch die Silhouette des Turmbaues zu Babel auf. Die im Bild handelnden Figuren bekommen so einen in unserer Imagination liegenden Kontext. Das Zitat und die Andeutung sind darüber hinaus eine Art Herleitung des Herausgriffs von Augenblickskonstellationen, welche nie die vollständige Geschichte erzählen.

Man „entziffert“ die Konflikte der Bildcharaktere und das latent rätselhafte Geschehen in Eckehard Fuchs` Bildern schrittweise, gleich einem Forscher, der im Dschungel das Grün vor lange verborgen gewesenen Zeugnissen vergangener Kulturen herunterreißen muss. Die Lesbarkeit der Körpersprache und Interaktionen der von Eckehard Fuchs gemalten und gezeichneten Figuren ist in dem Maße möglich, wie Kunstwerke fremder Kulturen ohne Referenzwissen zu deren religiösem oder mythologischem Umfeld entschlüsselbar sind: Über allgemeinverständliche Bedeutungen von Gestik wird gleichermaßen sichtbar und verschleiert, was beispielsweise ein Festhalten, Umschlingen oder Wegstoßen bedeutet. So kann Nähe ebenso aggressive wie auch freundliche Annäherung sein oder der Ausgangspunkt für Abschied und Flucht, während eine Umarmung gleichermaßen als Geste der Zuneigung wie der lähmenden Umklammerung zu verstehen sein mag. Körperlose Köpfe und kopflose Körper jedoch stehen klar für Unvollständigkeit (oder im psychoanalytischen Sinne interpretiert: für Verlust).

Der paradox anmutende Reigen disharmonischer Physiognomien und Gesten changiert zwischen Verweisen auf verschüttete Formüberlieferung und auf den alltäglichen Wahnsinn unserer Zeit. Der innere Zusammenhang des Werkes ist des Künstlers Beobachtung und individuelle Auseinandersetzung mit der Welt, gefiltert durch das Wissen um Traditionen künstlerischer Bildgenese.

Häufig verwendet Eckehard Fuchs das Motiv der Maske, wohl als ausdrucksstarken Hinweis auf den Fakt, dass Dinge nicht sind, was sie zu sein scheinen. Hinter den Masken verbergen sich zumeist weitere Masken oder maskenhafte Gesichter mit indifferenten und oft ausdruckslosen Gesichtszügen, so dass sich kein Aufschluss über außerbildliche Bezüge zu einer bestimmten Geschichte oder einer bekannten Symbolwelt ergibt. Es drängt sich der Gedanke an das Figurentheater mit seinen stark expressiven, oft übersteigerten und deformierten, aber eben starren und unwandelbaren Ausdrucksmasken auf.

Man könnte meinen, die Beziehung zwischen Farbigkeit und Dargestelltem funktioniere als Idylle und deren Störung, und es ist schwer zu sagen, ob in den Darstellungen eine positive oder negative Stimmung und Aussage überwiegt. Die Frage danach erscheint relevant und eine solche elementare Herangehensweise angebracht, weil sich Eckehard Fuchs ein eigenes ikonografisches System aufgebaut hat, dessen innere Bezüge er allein festlegt und variiert. Zu seinem System der Codierung gehören neben dem beschriebenen Netz formaler Anspielungen und Zitate auch die malerische Abweichung von der realistischen Darstellung sowie die oft suggestiven Bildtitel. Diese Strategie der Erzeugung von Unsicherheit über die eigene Wahrnehmung macht die Betrachtung jedes einzelnen Bildes aufs Neue zum Abenteuer.

Sein Projekt „Casa Parallela“, die nunmehr bereits seit acht Jahren betriebene 3-D-Modellierung von Räumen, in denen der Künstler vorübergehend wohnte, arbeitete oder ausstellte, steht formal außerhalb seiner wenig an der Beschreibung von Orten interessierten Malerei. Trotzdem bildet es einen Dreh- und Angelpunkt der Arbeit von Eckehard Fuchs, denn was er in seinen Zeichnungen und Malereien darstellt, entspringt der Empfindung seiner Umgebungswelt mit all ihren zeittypischen und ach so menschlichen Problemen, Missverständnissen und Verwerfungen. Persönliches und Zwischenmenschliches findet sich dabei ebenso (z. B. „Geliebtes“, „Kämpfende“) wie Beobachtungen rund um den Kunstbetrieb („Lorbeer“) oder die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Phänomenen („Schlachtruf“, „Ohnmacht“). Die unterschiedlichen Bereiche seines künstlerischen Interesses ergeben ein Orientierungssystem, als dessen Metapher man die labyrinthische Aneinanderreihung von Räumen sehen kann, die in Wirklichkeit keine räumliche und zeitliche Verbindung miteinander haben.

Als einen Spiegel, in dem sich Zeit und Ort gegeneinander vertauschen, sieht der Künstler selbst diese Arbeit. Der Akt des Zusammenfügens der Raummodelle steht dabei für sein Vermögen, uns Dinge jenseits gängiger Logik greifbar vor Augen zu führen.

Johannes Schmidt 2009



Der Maler Eckehard Fuchs
Eine kurze Überlegung zu Stil und Emotion

"Ich versuche, meinen Nachbildern auf die Spur zu kommen". Mit diesen Worten destilliert Eckehard Fuchs seine malerischen und zeichnerischen Strategien. Nachbilder sind Phänomene, die von der Physiologie genauso wie von der Wahrnehmungspsychologie für sich reklamiert werden. Visuelle Eindrücke wirken nach dem Sinnesreiz als retinale Projektionen fort und in Eckehard Fuchs' Lesart trifft dies gleichermaßen auf emotionale Eindrücke und deren Nachwirken zu. Der Abstraktionsgrad von optischen Nachbildern spiegelt sich in den vereinfachten, oft harten Konturen von Fuchs' Bildern und ihre psychologische Tiefenschärfe partizipiert genau an diesen Effekten. Eine kontrastreiche, ja vielfach grelle Palette wirkt hier als Verstärker.
Den technischen Auslöser für seine Bildsprache, die reich an Brüchen und unaufgelösten (Ver-) Spannungen ist, bildeten 2004 Serien von Collagen. Der Künstler überlagerte dafür Zeichnungen mit Papierausrissen, konstruierte Bildarchitekturen aus farbigen Streifen, entwickelte das Motiv im Wortsinn und bleibt dieser Technik später auch in der Malerei treu. Themen des Bandagierens, des Aus- und Einwickelns von Figuren haben sich zweifellos aus diesen Schichtungen gebildet und die damit verbundene Ikonografie gleich mit.
Die physische und psychische Intensität solcher Mumifikationen und Umklammerungen bewegt sich häufig an der Grenze des Erträglichen. Dabei wurzelt die Ausdruckskraft von Eckehard Fuchs' Figurenkonstellationen nur zum Teil in diesen strukturellen Eigenschaften. Körpersprache, Mimik und Interaktionen zeugen zusätzlich von Referenzen, die in der aktuellen Figuration eher selten geworden sind: die splitternde Holzschnitthaftigkeit des Expressionismus, gepaart mit der indiskreten Schonungslosigkeit des Versimus und bisweilen mit der Plakativität von politischmotiviertem Realismus. In dieser klaren Absage an oberflächenverliebten Duktus und an betont emotionslose Menschenbilder, von denen die gegenwärtige Erfolgsgeschichte regionaler Malereischulen immer wieder erzählt, liegt eine persönliche Courage, die weit über Stilwollen hinausgeht und von existenzieller Selbstergründung spricht.
Ob in Gemälden oder den Gouachen, immer wieder scheinen auch klassische Bildformeln auf, die Eckehard Fuchs bei alten Meistern systematisch "einsaugt". Piero della Francesca und Pietro Longhi heißen seine Favoriten und tatsächlich gibt es hier zahlreiche Parallelen zu entdecken. Beide Italiener (obwohl durch knapp 300 Jahre getrennt) behandeln die menschliche Figur in einer ganz eigentümlich nichtidealisierten Weise. Während Pieros Protagonisten statuarisch und gedrungen wirken, wird Pietros Darstellern die Qualität "ausgestopfter Marionetten" und das "Aussehen der auf Sarkophage gemalten Mumienporträts" attestiert (Roberto Longhi, Venezianische Malerei). Puppenhaftigkeit und kalkuliertes Missverständnis der Proportionen bestimmen auch Eckehard Fuchs' intensive Bildbühnen: die Verweigerung handelsüblicher Idealmaße ist Programm. Züge und Motorik werden ins Groteske überzeichnet und sollen, nach Absicht des Künstlers, "realer und glaubhafter wirken als eine Haut, an der alles abprallt."
Das eher ungelenke, schroffe Auftreten der Figuren, ihre Erstarrung in gleichsam rituellen Handlungen und bedeutungsperspektivische Elemente verweisen auf noch ältere Bezugsfelder als italienische Renaissance und 20. Jahrhundert. Eckehard Fuchs nennt hier gern die Inspiration durch romanische Bildwerke, auch gotische Einflüsse liegen nah. Und wie dort, so verläuft eine mögliche Indentifikation der Betrachter nur über die dargestellten Archetypen und Stereotypen. So viele Akteure auch auftreten und sich körperlich in Narrativ und Komposition verstricken - Porträtähnlichkeit wird verweigert. Konsequent klingt daher häufig das Thema von Masken und Maskierung an. Das Problem der Doppelidentität oder des Alter Ego kommt in diesem Kontext nicht als Überaschung: mehrere Versionen von Zwillingen, siamesisch verschmolzen, stehen dafür.
Menschliche Prototypen werden physischen und psychischen Deklinationsübungen unterworfen, im Dienste einer auf Dauer angelegten "Comedie Humaine".

Susanne Altmann 2005